Mittwoch, 23. September 2015

Rat' mal, wer zum Essen kommt!



Die Idee ist genial und bringt Menschen zusammen, die sich vorher noch nie oder nur flüchtig begegnet sind. Menschen, die eine Leidenschaft vereint: Die Liebe zu gutem Essen, erstklassigen Produkten - und vor allem zur Pasta. Denn Pasta stand im Mittelpunkt dieses Abends.
Das Städtchen Gragnano, südlich von Neapel, ist berühmt für seine Pastaproduktion. Hier herrsche, so erzählt Pastafabrikant Giuseppe Di Martino und gleichsam "Seele" des Pastificio dei Campi, genau das perfekte Mikroklima, wie es für ein gutes Produkt förderlich ist. Aber das allein reicht natürlich nicht, um ein Qualitätsprodukt auf den Weg zu bringen. In der kleinen, feinen Fabrik, die man eher schon als Manufaktur bezeichnen möchte, entsteht eine Pasta, die ihresgleichen sucht. Das fängt bei ausgesuchten Weizensorten an, die nicht in den üblichen Metallsilos bis zur Verarbeitung gelagert werden, sondern in einem ventilierenden Stoffsack.





Der veredelte Produktionsprozess geht weiter mit den hochwertigen Bronzeformen, durch die der Pastateig gedrückt wird. Es folgt ein langsamer Trocknungsprozess, nicht an einem Fließband, sondern bis zu zwei Tage lang in abgeschlossenen Trockenkammern. Das sieht man der im Pastificio hergestellten Pasta auch an. Sie hat eine blasse, hellgelbe Farbe - die schnell getrocknete, industriell hergestellte Pasta ist oft gelb bis gar bräunlich; hier sind die Zuckeranteile des Hartweizens durch das Erhitzen bereits karamellisiert, das Geschmacksergebnis ist damit ruiniert.





Im Pastificio dei Campi wird dagegen alles getan, die raue Oberfläche zu erhalten, die aus den individualisierten Bronzeformen kommt. Ergebnis ist jene außergewöhnlich raue Oberfläche, die solche Spezialnudeln unter Kennern so begehrt machen.
Und kreativen Köchen wunderbare Gerichte entlockt.




Das Konzept der monatlich stattfindenden Abende, die unter dem Titel "Indovina chi viene a cena" (Rat' mal, wer zum Essen kommt) mittlerweile in Feinschmeckerkreisen immer begehrter werden, rückt jeweils einen italienischen sowie einen ausländischen Koch in den Mittelpunkt. Der Ausländer soll neue Inspiration bringen, mit zwei Pastagerichten, die Spezialitäten anderer Länder mit der Pasta in Verbindung bringen. Der einheimische Sternekoch Peppe Guida soll mit fünf weiteren Pastagängen zeigen, was alles möglich ist.



Zur Diskussion über Pastakultur und -Genuss werden Gäste geladen, die auf die eine oder andere Weise ein "Foodie" sind, wie Di Martino sie augenzwinkernd bezeichnet: Der Mozzarella-Produzent aus Kampanien etwa, oder der Architekt, der sich mit Lichtgestaltung in der gehobenen Gastronomie beschäftigt. Diese Formel für einen kleinen, erlesenen Kreis von Gästen hat unter Eingeweihten schon Kultstatus erreicht, deshalb gibt es inzwischen eine Warteliste für den kulinarischen Zirkel mit 140 ungeduldigen Kandidaten.



Giuseppe Di Martino ist ein hervorragender Gastgeber, er plaudert und erzählt nebenbei Geschichten aus seiner Kindheit. Von dem Ragù alla Genovese etwa, das schon am Donnerstag für das große Sonntagsessen aufgesetzt wurde - in der Nacht mit einer einzigen Kerze unter dem Topf, die dem Inhalt alle zehn Minuten einen einzigen "Blubb" entlockte. Er erklärt den Gästen, warum die Reginette auch als Mafalde in Italien bekannt und sie den Locken der Prinzessin Mafalda di Savoia nachgebildet sind (andere Quellen deuten den gezackten Rand als Krone). Immer wieder entkorkt er dabei eine neue Flasche Champagner - Champagner, seine seine zweite große Leidenschaft.




Der edelste Tropfen ist gerade gut genug für seine geliebte Pasta, wertet er sie nur umso mehr auf. Italienischer Wein wäre ja auch zu banal. Und wer hätte das gedacht: das französische Edelgetränk passt hervorragend zu den unterschiedlichen Pastagerichten, die an diesem Abend serviert werden.
An diesem Septemberabend ist das Können eines deutschen Kochs gefragt: Aus Kassel stößt Eduard Jaisler, Chefkoch im Restaurant Park Schönfeld, auf die kritischen Feinschmecker. Jaisler tritt an zusammen mit Peppe Guida, dessen Restaurant Antica Osteria Nonna Rosa sich mit einem Michelin-Stern schmücken darf. Unter den Gästen auch Hans van Manen von der Vereinigung Jeunes restaurateurs d'Europe.




In dem edlen Wettstreit um das Pastagericht besteht Eduard Jaisler vor den Augen aller, vor allen aber auch vor denen des Pastaspezialisten Di Martino, die Herausforderung mit Bravour. "Er hat treffsicher jeder Pastasorte den richtigen Sugo verpasst", lobt Di Martino. Aus dem Mund eines Italieners bedeutet das höchste Anerkennung. Denn an so einem Abend riskiert ein ausländischer Gast zwei Todsünden - eine nicht al dente gekochte Pasta oder die Wahl einer falschen Pastasorte für die begleitenden Zutaten.



Und jetzt lasst uns beginnen!
Mein besonderer Dank geht dabei an die beiden Küchenchefs, die für mich spontan Pastagerichte ohne Fisch und Meeresfrüchte hervorgezaubert haben!
Un ringraziamento particolare va ai due chef, che hanno creato - ad hoc - piatti di pasta senza pesce e frutti di mare!

Den Anfang machte eine Kreation von Eduard Jaisler, die ich allerdings nur optisch genießen durfte:
Pastasorte: Calle
Interpretation: Füllung aus Rührei, Nordseekrabben, dazu Kaviar und Wasserkresse





Das zweite Gericht von Herrn Jaisler, eines meiner Favoriten:
Pastasorte: Reginette
Interpretation: Geschmorte Entenkeulen, getrocknete Aprikosen, Steinpilze, Macadamia-Nuss-Späne und Knoblauchblüten






Der Kochlöffel wurde nun weitergereicht an Peppe Guida, der mein persönliches Highlight servierte:
Pastasorte: Linguine
Interpretation: Cacio e pepe, kalter Sugo aus grünen Tomaten






Pastasorte: Penne
Interpretation: Cime di Rapa (Broccoliart), Stockfisch, aromatisiert mit Zitrone, Minze und Peperoncino






Pastasorte: Candele, diese auseinandergebrochen
Interpretation: Tintenfischlein, in Portwein geschmorte Zwiebeln





Mein Teller:




Pastasorte: Calamarata
Interpretation: geschmorte Tomaten, Muscheln ("Lupini), Thymian
(Für mich, ohne Foto, mit Speck)





Der Klassiker: Spaghetti al pomodoro. Dazu muss man nichts weiter sagen, außer, dass sich der Gastgeber davon noch eine zweite Portion servieren ließ.





Und zum Abschluss gab es noch Schmalzgebackenes...



... und ich kann zu Recht behaupten, dass niemand hungrig nach Hause wankte ging.




Pastificio dei Campi
Via dei Campi, 30
80054 Gragnano (NA)
Tel.: +39 0818018430
Home


Restaurant Park Schönfeld
Bosestrasse 13
34121 Kassel
Tel.: +4956173976744
Home


Antica Osteria Nonna Rosa
Via Privata Bonea, 4
80069 Vico Equense (NA)
Tel.: +39 0818799055
Home

♥♥♥
Un abbraccio
Ariane

10 Kommentare:

  1. Was für wundervolle Pastaherichte! Ich gebe zu, der Verzicht auf Weizenmehl schmerzt mich bei Pasta am meisten. Die Auswahl bei Dinkel und Co schränkt doch sehr ein...

    Aber etwas Anregung habe ich mitgenommen, wenn es auch dann mit einer anderen Nudelsorte umgesetzt wird.

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    1. Oh, das ist nicht so schön, liebe Sandra! Liegt es denn am Gluten? Mittlerweile gibt es ja eine ganz Reihe glutenfreier Pasta, und vor einiger Zeit habe ich mal auch Neugier diese Pasta zubereitet. Ich konnte kaum einen Unterschied erkennen, leider nur kann ich mich nicht mehr an die Marke erinnern.
      Saluti
      Ariane

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  2. :-)
    Danke für Bericht und Photos!

    GLG Elena

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  3. Hach, da gerate ich ja ins Träumen.... wo ich doch grade Kohlehydrate am reduzieren bin.

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    1. Ein Low-Carb-Diät war das wirklich nicht. :-) Aber manchmal muss man sündigen dürfen...
      Saluti
      Ariane

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  4. Wie immer tolle Fotos und ein wunderbarer Bericht - du glaubst nicht, was ich jetzt für eine Lust auf Pasta bekommen habe! Und dann noch von Hand verpackt, da kann man ja kaum noch von "Nudeln" sprechen ;)

    Liebe Grüße,
    Katha

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    1. Ich gebe zu, diese Fotos machen wirklich Hunger. Nein, ich schaue jetzt nicht hin..... :-)
      Saluti
      Ariane

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  5. Meine Güte, das sehe ich erst jetzt! Du warst bei Pastificio dei Campi? Und dann auch noch in dieser illustren Runde in der Pastaküche? - Hammer!

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    1. Das war soooo großartig, das hatte fast schon etwas Geheimlogenartiges...;-)
      Saluti
      Ariane

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